Der Gemeinnützige Frauenverein Altstätten
gestern und heute
1847 gründeten Frauen der evangelischen Kirchgemeinde Altstätten den „Evangelischen Frauenverein, im Dienste der Nächstenliebe“. Der im 19. JHT erwachsene Gedanke
der Gemeinnützigkeit (Freiwilligenarbeit im Dienste der Allgemeinheit) ist heute noch ebenso aktuell wie damals. Nicht nur die Überbrückung von Lücken im sozialen System sondern auch die
Gleichstellung und die politische Unabhängigkeit waren und sind Themen, die die Frauen früher und auch heute nach wie vor beschäftigen. Aus dem evangelischen Frauenverein wurde im Jahre 1996 der
Gemeinnützige Frauenverein Altstätten, der heute gut 300 Mitglieder zählt. Er ist ein parteipolitisch unabhängiger und konfessionell neutraler Verein, welcher eine Sektion des Dachverbandes
Schweizerischer Gemeinnütziger Frauen ist. Der Gemeinnützige Frauenverein Altstätten setzt sich zum Ziel, Werke sozialer und kultureller Art zu unterstützen, gemeinnützige Aktionen innerhalb
und ausserhalb der Stadt Altstätten zu fördern und soziale Aufgaben zu erfüllen. Er sucht die Zusammengehörigkeit der Frauen zu pflegen und zu stärken.
Ein kurzer, historischer Rückblick:
Besonders mit Eintritt der Wirtschaftskrise 1930 entstanden für den evangelischen Frauenverein Altstätten enorme Aufgaben. Die Arbeitslosenunterstützung war unzureichend und die Ersparnisse der Familien schnell aufgebraucht, die Beschäftigungslosigkeit der Männer ein grosses Thema. Der evangelische Frauenverein unterstützte in dieser Zeit vor allem mit materiellen Gaben und verschiedenen finanziellen Unterstützungen. Empfänger waren Kinder, bedürftige Erwachsene, Familien, Waisenschulen, Kindergärten und die Bewohner und Bewohnerinnen des Bürgerheims. Die Kinder erhielten warme Winterkleider, die Erwachsenen nützliche Kleidungsstücke wie Hemden, Unterkleider, Finken, etc. und die Waisenschule und der Kindergarten jeweils einen finanziellen Beitrag. Liest man die Protokolle aus dieser Zeit, sieht man, wie nützlich und hilfreich die Gaben waren.
„1930: Weihnachtsgabenverteilung: Leintücher, Lismer, Fr.5.-- Finken, Unterrock, Ovomaltine, Briketts
1936: Unterstützung von 7 Konfirmanden mit Stoff für schwarzes Kleid. Weihnachtsgaben: Ovomaltine, Butter, Wolle und Faden.“
Aber es wurde nicht nur gemeinnützige Arbeit geleistet. Da die Frauen weder öffentliche Rechte noch Anspruch auf Ausbildung hatten, galten neben der gemeinnützigen Arbeit auch die Weiterbildung der Frauen und die Knüpfung sozialer Kontakte unter den Frauen als sehr wichtig. Es wurden Stricknachmittage, Kurse und Ausflüge organisiert. An den Hauptversammlungen wurden jeweils Vorträge zu aktuellen Themen gehalten, wie dieser im Jahr 1938 mit dem Thema „Was sollen wir Schweizerfrauen für die Heimat tun?“. Die Referentin, Frau Reich belehrte die Frauen „…dass jede Frau im kleinen Staat der Familie treu zu wirken habe, um von da aus mehr Segen fliessen zu lassen und dazu gehörten auch die erhobenen Gebetshände.“.
In den Kriegsjahren veränderten sich die Aufgaben des evangelischen Frauenvereins Altstätten. Trotz Essensrationen, Gutscheinen, gepaart mit eigenen Ängsten, Unsicherheiten und materiellen Nöten hielt der Verein an seinem Hauptziel, der gemeinnützigen Arbeit, fest und unterstützte die Gemeinde nach ihren Möglichkeiten. Die kurzen Ausschnitte aus den Protokollen zeugen von der oft schwierigen Zeit und zeigen die wertvolle Unterstützung des evangelischen Frauenvereins für die Gemeinde.
„1939: Mit einem Paket der Winterhilfe konnte man Arme unterstützen. Spezereigutscheine von Fr. 8.--, Milchscheine. Man richtete eine Nähstube ein, um die Wäsche von armen und allein stehenden Soldaten zu flicken. 123 Kinder aus der Stadt und Vorstadt konnten an Weihnachten mit nützlichen Kleidungsstücken beschenkt werden.
1940: An bedürftige Wöchnerinnen ein Schlüttli und ein Häubchen. An Konfirmanden ein Paar hohe Schuhe. Fr. 6.65 für ein Billett nach Herisau, um den kranken Gatten zu besuchen. Der freie Zusammenschluss der evang. Frauenvereine Rheintal. Weihnachten stand ganz im Zeichen des Krieges. Nur mit den Textilkarten und deren Coupons war es dem Frauenverein möglich, Kleider für Bedürftige zu beschaffen. Neben Leibchen, Hemd und Hose wurden Leintücher und Stoff für einen Bettanzug verschenkt, sowie Stoff für einen Laubsack.
1943: 105 Kinder erhielten im 5. Kriegsjahr Päckli mit noch recht guten Wollsachen. Auch die Holzschuhe und Finken durften sich in der Qualität sehen lassen. Dass es keine Pfünderli mit Wurst gab, war den Kindern klar, bei diesem Couponhandel. Die Bürgerheiminsassen erhielten ein Kriegspaket: 1 Milchbrot, 1 Taschentuch, 1 Schokolade, den Rauchern anstelle von Schokolade ein Paket Tabak.“
In früheren Jahren war es nur Frauen der evangelischen Kirchgemeinde gestattet, Mitglied des Frauenvereins zu werden. Für die katholischen Frauen gab es den katholischen Frauenverein. Ein interessanter Auszug aus den Protokollen ist das Jahr 1946, der auf die konfessionellen Unterschiede hinweist.
„Man macht bei der Grenzsammlung mit. Bettwäsche für das Spital Friedrichshafen und Schuhe und Kleider für die Zivilbevölkerung. Man war jedoch etwas zurückhaltend bei uns, denn man hörte, dass bei solchen gemeinsamen Sammelaktionen vor allem Katholiken unterstützt würden. Man wollte zuerst noch mit Pfr. Gutknecht in Marbach Kontakt aufnehmen, der sich bei solchen Sammlungen gut auskannte.“
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den Nachkriegsjahren veränderten und verbesserten sich auch wieder die materiellen und finanziellen Unterstützungen. Auch konnte der Aus- und Weiterbildung der Frauen wieder vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es wurden Krankenpflegekurse, Säuglingskurse, Nähkurse, Knabenhosennähkurse, Flickaktionen etc. angeboten. Im Jahr 1953 wurde die Heimpflege gegründet und 1-2 Pflegerinnen konnten eingestellt werden. Ebenfalls in dieses Jahr fiel die Eröffnung der Brockenstube. Die Brockenstube war und ist die wichtigste Einnahmequelle des gemeinnützigen Frauenvereins Altstätten. Dank ihr können all die Unterstützungen, Vergabungen, Weihnachtsaktionen, Spenden, etc. finanziert werden. Ohne die grosse Arbeit der freiwilligen Helferinnen (und auch männlichen Helfer) kann der Gemeinnützige Frauenverein das Ziel, Werke sozialer und kultureller Art zu unterstützen, gemeinnützige Aktionen innerhalb und ausserhalb der Stadt zu fördern und soziale Aufgaben zu erfüllen, wahrnehmen.
Im Jahr 1956 wurden regelmässige Mütterabende angeboten, welche vor allem Erziehungsfragen zum Mittelpunkt hatten. 1962 sorgte ein Vortrag für Gesprächsstoff: „Wir Frauen und die Männer“. Auch die Einführung des Frauenstimmrechts beschäftigte die Frauen und wurde an der Hauptversammlung zum Hauptthema des Vortrags.
Der Gemeinnützige Frauenverein Altstätten heute:
Heute zeigt sich der ehemals evangelische Frauenverein Altstätten in einem leicht anderen Kleid. Aus dem evangelischen Frauenverein wurde der Gemeinnützige Frauenverein Altstätten. Er ist Mitglied des SGF, Dachverband Schweizerischer Gemeinnütziger Frauen. Dies ist ein Zeichen der Öffnung gegen aussen. Nicht mehr nur evangelische Frauen können Mitglied dieses Vereins werden. Er steht für alle Konfessionen offen und soll signalisieren, dass es für das gemeinsame Ziel nicht wichtig ist, welcher Glaube gelebt wird. Unter dem Kleid verfolgt der Gemeinnützige Frauenverein Altstätten aber immer noch die gleichen Ziele wie bei seiner Gründung im Jahre 1847! Dies sind die Unterstützung von privaten und öffentlichen Institutionen und die Pflege sozialer Kontakte.
Die Tätigkeiten des Gemeinnützigen Frauenvereins Altstätten sind vielfältig.
Genau so vielfältig wie das Angebot ist die Vielfalt der Mitglieder! Frauen aller Altersgruppen und mit vielen unterschiedlichen Interessen, aber mit den gleichen Zielen, machen aus dem Gemeinnützigen Frauenverein Altstätten einen farbenfrohen, interessanten und aktiven Verein.
Der Gemeinnützige Frauenverein Altstätten macht die Welt ein klein bisschen reicher!
Altstätten, im April 2016